Gemeinde Reiskirchen,
die Geschichte unserer Orte

Reiskirchen.
Eine von Kaiser Otto II. im Jahre 975 ausgestellte Urkunde, in der Richolveschiricha genannt wird, ist vermutlich die Erstnennung unseres Ortes, dessen Kirche von einem Richolf erbaut wurde. Aber auch aus den mittelalterlichen Zehntverhältnissen ist das hohe Alter der Siedlung ersichtlich. Seit dessen Bestehen gehörte Reiskirchen zum Gericht des Busecker Tales, das die Herren von Buseck und von Trohe als Ganerben direkt vom Kaiser als Reichslehen empfingen. Diese Adelsfamilien hatten auch im Ort größeren Besitz. Als Grundbesitzer finden wir folgend auch die Lesche von Mühlheim, die Junker von Windhausen zu Winnerod und die von Nordeck zur Rabenau.

In der Osternacht 1613 legte ein furchtbarer Brand das ganze Dorf bis auf neun Häuser in Asche, auch von der Kirche blieben nur die Grundmauern. Der Wiederaufbau reichte bis in die Notzeiten des Dreißigjährigen Krieges, dessen letzte Jahre, der mit großer Brutalität geführte sogenannte Hessenkrieg, unvorstellbare Not über unser Land brachte. Die grassierende Pest, Hungersnöte und Seuchen ließen das Land veröden und es brauchte Jahrzehnte, bis die Folgen dieser elenden Zeiten überwunden waren. Trotzdem konnte sich Reiskirchen um 1750 wieder zu den großen und wohlhabenden Gemeinden Oberhessens zählen, wenn auch die zahlreichen kriegerischen Ereignisse des 18. Jahrhunderts der Bevölkerung viele Lasten und Nöte brachten. In den Jahren 1769/71 gab man der Pfarrkirche ihre heutige Form als spätbarocker Bau mit klassizistischen Stilelementen.

Mit dem Übergang in die Moderne gewann Reiskirchen immer mehr Standortvorteile durch seine Lage an der von Gießen über Grünberg in den Vogelsberg führenden Straße. 1869 erhielt es zudem einen Bahnhof an der neuen Bahnlinie Gießen-Fulda; nun waren die Einwohner nicht mehr allein auf ihren Verdienst aus der Landwirtschaft angewiesen, sondern konnten Arbeitsplätze in der Stadt erreichen. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts zog mit der Errichtung einer Zigarrenfabrik die Industrialisierung in das bislang rein landwirtschaftlich geprägte Dorf ein. Der Lebensstandard stieg, die Bevölkerungszahl nahm zu, die Lebensgewohnheiten änderten sich immer schneller. Hatte Reiskirchen 1880 noch knapp 700 Einwohner, sind es 1929 schon über tausend, und nicht wenige haben in heimischen Industrie- und Gewerbebetrieben Arbeit. Zum wirtschaftlichen Aufschwung trug nicht wenig die 1938 fertiggestellte Autobahn bei. Der Ort blieb von Kriegsschäden verschont, und in den 50er Jahren begann eine rege Bautätigkeit. Durch die Ausweisung großer Baugebiete hatte sich Reiskirchen bald flächenmäßig verdoppelt. 1971 wurde es Verwaltungssitz der mit Saasen, Hattenrod und Winnerod, später noch mit Burkhardsfelden, Bersrod, Lindenstruth und Ettingshausen gebildeten Großgemeinde, die inzwischen rund 11.000 Einwohner zählt.

Bersrod.
In einem Seitental der Wieseck, umsäumt von Waldgebieten und ohne verkehrsreiche Durchgangstraßen, liegt diese angenehme Wohngemeinde, einer der drei Rodungsorte in der Großgemeinde, wie die Endsilbe des Namens sagt: Bersrod, Rodung eines Berno oder Bernd. Die erste Nennung finden wir in einer Wirberger Urkunde, die in der Zeit zwischen 1266 und 1286 entstanden sein muß. Lange hat man deshalb Bersrod für ein von Wirberger Mönchen gegründetes Dorf gehalten, aber in Wahrheit hat es längst bestanden, bevor aus dem Wirberg ein Kloster wurde. Kirchlich finden wir es zur Sedes Winnerod gehörend, dessen Filial es bis in das vorige Jahrhundert geblieben ist. Zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt ist es zum Gericht des Busecker Tals gekommen und teilte fortan dessen Schicksal bis zur Durchsetzung der landgräflichen Landeshoheit. Wie seine Nachbarn war Bersrod bis in die Neuzeit ein reines Bauerndorf. Um die Kirche am jetzigen Lindenplatz, dem heutigen Dorfzentrum, werden sich die ältesten Bauernhöfe gruppiert haben, der Platz selbst wird der Friedhof, der Gottesacker, gewesen sein.

Der Gemeinde gehört seit jeher ein großer, schöner Waldbesitz, und in den letzten Jahrhunderten galt Bersrod als wohlhabendes Dorf, das aus seinen Waldungen reichen Gewinn erlöste. Heute zählt zwar der Erholungswert des Waldes eher als der Holzverkauf, aber zur Wohnqualität trägt er neben den wieder restaurierten Fachwerkbauten und dem neugestalteten Lindenplatz vieles bei.

Um 1670 hatte Bersrod etwas über hundert Einwohner, die ganze 18 Häuser bewohnten. Heute leben im alten Dorf und den umfangreichen, komfortablen Neubaugebieten rund 800 Menschen.

Burkhardsfelden.
Weithin sichtbar ist der Turm der Kirche von Burkhardsfelden auf der Anhöhe oberhalb des breiten Jossolertales und die Ortschaft ist die höchstgelegene unserer Gemeinde. Mit einer Urkunde von 1150 tritt sie ins Licht der Geschichte. Sie ist Sitz eines Rittergeschlechts, dessen Herkunft aus der Wetterau vermutet wird: Der Name bedeutet: Zu den Gefilden, den Feldern des Burkhard.

1210 entstand der Arnsburger Hof, der zu den bedeutendsten Gutsbetrieben des Klosters Arnsburg zählte. Der Generationen hindurch ausgetragene Streit zwischen den Rittern und dem Kloster hinterließ zahlreiche frühe Urkunden, die heute wichtige Unterlagen der Geschichtsschreibung sind, wohl über keinen anderen Ort unserer Heimat wissen wir aus dem Mittelalter so viel.

Landesweit bekannt wurde die Geschichte der Schul-Else, einer heilmittelkundigen Frau, die während der hysterischen der Hexenverfolgung im 17.Jahrhundert angeklagt wurde und trotz harter Folter nicht gestand. Das alsdann angerufene Mainzer Obergericht entschied, daß die Unschuldige sofort freizulassen sei, es war das erste im Geiste der Aufklärung ergangene Urteil.

Der Klosterhof wurde 1701 als Adelssitz der Familie von Löwenfeld ausgebaut. General Hoffmann von Löwenfeld, der in der Reichsarmee durch die Einnahme und Verteidigung von Landau berühmt wurde, war ein Sohn des Grünberger Amtmanns. Das Herrenhaus mußte im Siebenjährigen Krieg wiederholt Offizierseinquartierung hinnehmen, wobei besonders die französischen Offiziere durch verschwenderische Lebensweise auf Kosten der Einwohner die Gemeinde in große finanzielle Bedrängnis brachte. Die Kriegsleiden steigerten sich noch in den napoleonischen Jahren, die Schuldenlast wuchs schließlich dermaßen an, daß die Gemeinde 1835 ihr gesamtes Vermögen in die Verwaltung ihrer Gläubiger geben mußte. In dem so armen Dorf, in dem viele Männer als Tagelöhner auswärts kargen Verdienst suchen mußten, war 1875 die Einrichtung eines Kindergartens ein wahrer Segen. Er wurde als "Kleinkinderschule" von Elisabeth Zimmer, der Frau des Winneröder Gutsbesitzers, gestiftet und in einem ihr gehörenden Haus eingerichtet. Schwestern aus Nonnenweier besetzten ihn, er gehört zu den ältesten, die in einer Landgemeinde von ihnen betreut wurde. Als zu Ende des 19.Jahrhunderts mit einer Zigarrenfabrik die Industrie in Burkhardsfelden einzog und viele der Dorffrauen dort Arbeit fanden, erwies sich die Kinderschule als soziale Wohltat. Heute ist die früher arme Arbeiter- und Kleinbauerngemeinde ein beliebter Wohnplatz in schöner, gesunder Lage, nicht an, aber nahe der wichtigen Verkehrswege. Der naheliegende Licher Wald ist einen Spaziergang wert, dort finden Kundige die Mauerreste der untergegangenen Siedlung Meilbach.

Ettingshausen.
Am nördlichen Rand der fruchtbaren Wetterau, unweit der alten Heer- und Handelsstraße "Kurze Hessen" gelegen, war Ettingshausen bereits lange vor der derzeit bekannten urkundlichen Ersterwähnung (1286 n.Chr.) frühe Siedlungsstätte. Auf vorgeschichtliche Zeiten verweisen Funde aus der Jungsteinzeit und mehrere Hügelgräber aus der Bronzezeit.

Die frühen Ortsnamen Yringshusen/Ytingshusen (1286) über Yttingshusin (1323) bis Itineshußin (1499) deuten mit ihrem Suffix "-hausen" hin auf eine fränkische Gründung aus der Karolingerzeit (714-843 n.Chr.). Ein Indiz hierfür ist auch die nahegelegene Kirchenruine Hausen, die 775 n.Chr. urkundlich erwähnt wird. Und alte Flurnamen, aber auch mündlich tradierte Ortsbezeichnungen südlich des Dorfes weisen immer noch auf die Existenz einer der Horstburgen hin, die einst die Ostgrenze des Frankenreiches sicherten.

Der Name Ettingshausen wurde bisher als "Ort zu den Häusern des Ittino" erklärt. Neuere Forschungen halten es für wahrscheinlicher, dass der Ortsname auf das Rittergeschlecht von Ehringshausen zurückzuführen ist. Diese Ritterschaft hatte Besitzungen bzw. Lehen im Gebiet um die Horstburg, taucht aber auch in Wirberg-Urkunden auf und gilt als Namensgeber anderer Orte.

Nach der Falkensteiner Erbteilung geht Ettingshausen 1423 n.Chr. in den Besitz des Grafen Johann von Solms und gehört zu den Solmser Landen bis zum Anschluß an das Großherzogtum Hessen im Jahre 1806. Mit anderen Dörfern um die Horstburg war Ettingshausen über Jahrhunderte hinweg dem Obergericht Münster zugehörig und wahrscheinlich auch der Vogtei Oberbessingen. Diese Bindungen mögen den Widerspruchsgeist der Ettingshäuser genährt haben. So führte der gräfliche "Frey Prief" von 1526 zu einem Grenzstreit, der über 2 Jahrhunderte dauerte und auch das Reichskammergericht in Speyer beschäftigte. Das umstrittene Waldgebiet "Kohlstrauch", heute noch "Streit(h)ecke" genannt, blieb im Gemeindebesitz und ragte als mächtiges Dreieck -wie ein Vorwerk- in den gräflichen Wald.

Eine Urkunde aus 1448 n.Chr. besagt, dass in Ettingshausen bereits in sehr früher Zeit Eisenerz abgebaut wurde. Noch beim Bau der Eisenbahn forderte der Gemeindevorstand 1898 "einen Bahnhof mit Einladestelle... weil die Gemeinde reich an Eisen- und Basaltsteinen ist." Von den bergamtlich erfassten 11 Gruben war die Grube "Abendröthe" wohl die bedeutendste. Hier wurden in 22 Schächten in 8 bis 12 Meter Tiefe von 1862 bis 1891 14654 Tonnen Erz gefördert. Die letzte Grube (Ettingshausen IV) wurde 1936 geschlossen. Ettingshausen war also bereits im 19. Jahrhundert kein pures Bauerndorf mehr. Zeitweise fanden bis zu 100 Bergmänner und mehr als 10 Pferde- und Ochsengespanne in den Gruben des Dorfes Arbeit. Im Krieg 1870/71 leisteten Ettingshäuser mit ihren Gespannen Fuhrdienste bis nach Frankreich.

Das älteste Bauwerk des Ortes ist die ehrwürdige Dorfkirche aus dem frühen 13. Jahrhundert. Sie war Wehrkirche und Zufluchtsstätte , wie aus der erhöhten Lage, dem massiven Ostturm, den dicken Mauern und den kleinen Fenstern an der Nordseite zu schließen ist. Während die Umfassungsmauern romanische Bauwerke sind, zeigen die bunten Chorfenster, die Form des Kirchenschiffes und das Hauptportal gotische Merkmale. Hier wirkte von 1855 bis 1863 der pietistische Pfarrer D. Wilhelm Baur (1826-1897), der mit so bedeutenden Reformern wie Friedrich von Bodelschwingh und Johann Hinrich Wichern enge Kontakte hatte. Wilhelm Baur war später Hofprediger in Berlin und danach Generalsuperintendent der Rheinprovinz.

1775 wurde das Rathaus erbaut. Über dem Konstruktionsgebälk trägt es zeit- und stilgerecht einen Verputz. Sehenswert ist die alte Sonnenuhr an der Südseite. Mehrere Fachwerkhäuser aus dem 17./18. Jahrhundert wurden restauriert und zeigen den besonderen Wert schlichter Schönheit.

Nach dem 2. Weltkrieg nahm die 600- Seelen- Gemeinde über 300 Flüchtlinge und Heimatvertriebene auf. Aus dem ehemaligen Bauerndorf wurde im Laufe der Jahre eine zeitgemäße Wohngemeinde mit rd. 1900 Einwohnern, einem regen Vereinsleben, einem neuen Dorfzentrum mit Geschäften, Arztpraxen und Grundschule sowie einem Schwimmbad, dem einzigen in der Großgemeinde. K.B.

Hattenrod
Am Südhang des flachen Jossolertals, vor dem ausgedehnten Licher Wald, liegt Hattenrod in einer reizvollen, harmonischen Landschaft. Es ist, wie die Endsilbe des Ortsnamens besagt, ein Rodungsort und wird demnach zwischen 800 und 1100 entstanden sein: Rodung des Hatto. Ins Licht der Geschichte tritt der Ort mit einer Urkunde von 1226, in der sich Siegfried und Diemar von Hattenrod als Vertreter des heimischen Adelsgeschlechtes nennen, sie werden ausdrücklich als "miles", also Ritter, bezeichnet. Sie übten im Dorf auch die niedere Gerichtsbarkeit aus. Besitz und Rechte besaßen aber auch die Rau von Holzhausen und die Herren von Saasen, mehr noch die Klöster Wirberg und Arnsburg.

Kirchlich gehört in jener Zeit die Pfarre wie Burkhardsfelden und Bersrod zur Sedes Winnerod, die zum Archidiakonat St.Stephan des Mainzer Erzbistums zählt. Daraus erweist sich, daß Hattenrod zum Oberlahngau rechnet, nicht wie der Nachbarort Ettingshausen zur Wettereiba, unserer heutigen Wetterau.

Graf Philipp von Solms-Münzenberg kaufte zu Beginn des 16.Jahrhunderts Besitz und Rechte zu Hattenrod zielstrebig an. In der Erbteilung von 1579 fällt es, wie auch Ettingshausen, an Graf Ernst von Solms-Lich, und in der Grafschaft, dem späteren Fürstentum, bleibt es bis zum Ende derer Selbständigkeit. In den Jahren 1757 bis 1762 war Oberhessen und gerade auch Hattenrod vom Kriegsgeschehen nicht wenig betroffen, wurde ausgeplündert und zu hohen Kriegsleistungen gezwungen, auch die Napoleonischen Kriege brachten Hunger und Elend über die Bevölkerung. Viele wanderten in den Notzeiten des 19.Jahrhunderts aus, arbeiteten in England oder als Straßenkehrer in Paris oder suchten sich durch Hausierhandel zu ernähren. Erst mit der beginnenden Industrialisierung zu Ende des Jahrhunderts besserten sich die Zeiten. Besonderen Ruf genoss die Hattenröder Ziegenzucht, aus dem umfangreichen Bestand wurden Tiere bis ins Westfälische geliefert. 1877 wurde das Rathaus errichtet, auf das man mit Recht stolz war in einer Zeit, in der andere Bürgermeister in ihrem Wohnzimmer amtieren mußten. 1902 wurde ein neues Schulhaus gebaut, 1909 die erste Wasserleitung, 1921 elektrisches Licht. Zu den großen Leistungen des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg gehörte der Neubau des 1949 wegen Baufälligkeit abgerissenen Kirchenschiffes. Die Gemeindeglieder spendeten nicht nur, sondern legten selbst Hand an, sodaß 1952 das Gotteshaus als erster Kirchenbau des Kreises wieder eröffnet werden konnte. In dem ursprünglich reinen Bauerndorf lebte 1961 nur noch die Hälfte der Bewohner von der Landwirtschaft, die bald darauf keine Rolle mehr spielte. Ende des Jahres 1970 endete die gemeindliche Selbständigkeit. Der letzte Bürgermeister, Heinrich Mengel, hatte dieses Amt seit 1952 bekleidet.

Lindenstruth.
In der Talaue der Wieseck, vor dem Burgwald und an der Straße nach Grünberg liegt Lindenstruth. Es ist nach einem Flurnamen benannt, einem lichten, etwas feuchten Lindenwäldchen. Hier ist ein seit Urzeiten besiedeltes Gebiet, wie die Funde aus der Urnengräberzeit (1200-800 v.Chr.) beweisen. Neben Schmuck und Gerätschaft entdeckte man Metallformen und ein Materiallager, eine richtige Gießerwerkstatt.

Die erste urkundliche Nennung ist aus 1284. Es gehört schon damals zum landgräflichen Amt Grünberg, ist also ein "Amtsdorf" im Gegensatz zu den Taldörfern Reiskirchen, Burkhardsfelden und Bersrod, die zum Gericht des Busecker Tals gehörten. Es wird heute noch erzählt, daß Hochzeiten zwischen den Tal- und den Amtsbauernfamilien kaum vorkamen.

Der immer kleine Ort mit ansehnlichen Neubauvierteln ist den Hang zum Burgwald hinaufgewachsen, auf dem wir wohl zu Recht Reste einer ausgedehnten, vielleicht germanischen Fluchtburg vermuten. Gesicherter ist unser Wissen über die wohlhabende Schöffenfamilie des alten Grünberger Gerichts, die seit dem 13.Jahrhundert beurkundeten Herren von Lindenstruth. Wir müssen in ihnen aber keine ansässige Adelsfamilie sehen, sie nennen sich nur, wie die von Saasen, nach ihrem Herkunftsort und bezeichnen sich selbst als Bürger von Grünberg. Später hat eine weitverzweigte Familie Lindenstruth im 18. und 19.Jahrhundert in unserem Raum, besonders in Beuern und Bersrod, eine erhebliche Rolle gespielt, ihr entstammt auch Dr. Wilhelm Lindenstruth, der erste über unsere nähere Heimat arbeitende professionelle Historiker.

Heute hat das Dorf, der zweitkleinste Ort der Gemeinde Reiskirchen, rund 1000 Einwohner. Unterhalb des prosperierenden Industriebetriebes am Burgberg breitet sich ein ausgedehntes Neubaugebiet aus, in dem u.a. die unterschiedlichsten Fertighauslösungen zu sehen sind.

Saasen.
Einen landschaftlich reizvollen Raum im breiten Wiesecktal nimmt dieser geschichtlich interessante Ort ein, zu dem die einzige wirklich nachweisbare, einstige Burg in der Großgemeinde gehört: der Wirberg, der 1148/49 zu einem Kloster wurde. Davon sind freilich kaum Spuren übrig geblieben. Das dem Kloster eigene Gut, Bollnbach, liegt am Fuße des Wirbergs. Es hat sich zu einem kleinen Dörfchen entwickelt, das im 18.Jahrhundert einen eigenen Bürgermeister besaß, sonst aber immer zur Gemeinde Saasen zählte.

Deren Ortsname könnte auf eine Ansiedlung von Sachsen in der Zeit Karls des Großen hinweisen. Bei der radikalen Massendeportation nach 796 sollen 10 000 Sachsen gezwungen worden sein, ihre Heimat zu verlassen, um in den verschiedensten Gebieten des Reiches angesiedelt zu werden. Nach dem Ort nannte sich auch eine weitverzweigte, begüterte Grünberger Schöffenfamilie, die seit 1243 mit Heinrich von Saasen bei uns in Erscheinung tritt.

Um die wohl um das Jahr 1000 gebaute Kirche auf dem Veitsberg, dessen Anhöhe sich am Südrand der stattlichen Ortschaft erhebt, haben sich früh Sagen gebildet. Daß dort oben aber eine frühzeitliche Kultstätte war, ist nicht unwahrscheinlich. In dem alten Schulgebäude neben der Kirche lebte und wirkte ab 1734 Konrad Justus, "der Kalendermann vom Veitsberg", als Dorfschulmeister, er besaß ungewöhnliche Kenntnisse und Fähigkeiten. Das Buch über ihn machte seine Gestalt in der ganzen Welt bekannt.

Als 1852 der Kreis Grünberg gebildet wurde, hatte Saasen "mit dem Weiler Bollnbach und dem Veitsberg" 610 Einwohner. Bis heute sind es mehr als das Doppelte geworden und um den alten Ortskern mit den schönen Fachwerkbauten und den winkeligen Gäßchen sind attraktive, moderne Neubaugebiete entstanden.

Den kurzen Blick in die Saasener Geschichte dürfen wir nicht beenden, ohne die zahlreichen vorgeschichtlichen Zeugnisse zu erwähnen, die Hügelgräber in den Waldgebieten nördlich des Ortes, am Sengkopf und in der Winneröder Heide.

Winnerod.
Gut eingegrünt liegt die kleinste Ortschaft der Gemeinde Reiskirchen in der Talmulde zwischen dem Burg- und dem Walbersberg. Selten hat Winnerod mehr als ein halbes Hundert Einwohner gehabt, auch gegenwärtig sind es eher weniger. In der geschichtlichen Bedeutung aber überragt es seine Nachbarn in mancher Beziehung. Als es 1252 urkundlich in Erscheinung tritt, ist es schon alter Adelssitz mit niederer Gerichtsbarkeit. Zum geistlichen Gericht, einer Sedes, gehörten dazu Albach, Burkhardsfelden, Hattenrod und Bersrod. Eine Vogtei "Wynderode et Richolfiskirchin" wird in einer Urkunde von 1315 erwähnt. Sie gehört der Winneröder Gutsherrenfamilie von Windhausen, deren Geschlecht seit dem 13.Jahrhundert bis um 1600 blüht. Sie wird die spätromanische Kirche mit gotischem Chor als Grablege gebaut haben. Darin finden wir auch das kunsthistorisch bedeutsame Denkmal des Ebert von Windhausen und seiner Frau, einer geborenen von Nordeck zur Rabenau, und dessen Bruders Johann, mit dem das Geschlecht 1612 in männlicher Linie ausstarb. Auf dem Erbwege kam Winnerod an die von Buseck, deren Seitenlinie der Münche vier Generationen lang hier ihren Sitz hatte. Mit dem Fuldaischen Geheimen Rat Friedrich Ludwig von Buseck genannt Münch, dem zu dieser Zeit bedeutendsten und reichsten Busecker, erlosch die Linie 1750. Auch Friedrich Ludwigs Grabstein befindet sich, neben älteren, an der Südwand der sehenswerten kleinen Kirche.

Im Gutshof, zu dem ehemals mehr als 300 ha Land gehörten, steht das 1800-02 erbaute stattliche Herrenhaus, das größte profane Fachwerkgebäude des Kreises. Das Gelände ist in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem der größten Golfplätze der Bundesrepublik umgewandelt worden und nach aufwendigem Umbau ist aus dem früheren Stalltrakt ein großzügig angelegtes Restaurant geworden. Der idyllischen Ruhe des Dörfchens ist lebhafte Betriebsamkeit gefolgt, Winnerod ist heute bekannter als je zuvor und Ziel für viele.

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