Das Hirtenhaus

unser Heimatmuseum

Im Oberdorf, vor der Kirche und am Platz der frühesten Ortsbebauung hat sich ein kleines Fachwerkhaus erhalten, das wir für das älteste Wohnhaus des Dorfes halten können. Bis zur Neugestaltung des Kirchenumfeldes und Pfarrhofensembles in unserer Zeit war seine schöne Fachwerkkonstruktion unter häßlichem, grauen Putz verborgen; davon befreit und geschickt renoviert, trägt das Gebäude nun zu dem vorteilhafeten Gesamteindruck des Ortsteils vieles bei.

Als 1992 die letzte Bewohnerin aus Altersgründen auszog, hatte die zwei Jahre vorher gegründete Heimatgeschichtliche Vereinigung bereits zahlreiche Mitglieder und anerkannte Arbeit geleistet. Der weiteren Entwicklung stand der Mangel an Ausstellungs- und Arbeitsraum entgegen. Die Gemeinde kam dem Wunsch der HGV nach, ihr das Haus zur Nutzung als Heimatmuseum und für die Vereinsarbeit zur Verfügung zu stellen.

So schön das Häuschen von außen anzusehen war, so überholungsbedürftig war es im Inneren. Die Kellerdecke begann abzustürzen. Nach einer deswegen aufwendigen Baumaßnahme wurden die totale Innenrenovierung, Neugestaltung und Ausbau von einer Gruppe unserer Vereinsmitglieder in Eigenleistung ausgeführt. Die Gemeinde übernahm die Materialkosten. Länger als ein Jahr wurden Wände, Decken, Böden, Leitungen und Türen erneuert oder verbessert, der ganze Dachboden wurde ausgeräumt und vollständig ausgebaut. Die Arbeiten und Arbeitsstunden sind nicht aufzählbar. Schon im Sommer 1993 konnten die Heimatgeschichtler Teile des Hauses benutzen.

Zweimal dieselbe Giebelseite des Hirtenhauses: links das Fachwerk unter Verputz, Aufnahme vor dem Krieg, rechts das freigelegte, restaurierte Fachwerk, Aufnahme 1994

In den Akten der früheren Bürgermeisterei Reiskirchen wurden inzwischen Unterlagen gefunden, aus denen hervorgeht, daß 1819 schon von alters her das Haus als einziges Wohnhaus im Besitz der bürgerlichen Gemeinde war. Es wird "das Hirtenhaus" genannt und ist, wie berichtet wird, "in zwei Wohnungen abgetheilt. Da die gemeindischen Hirten Eigenthum Häuser besitzen so wirds jehrlich zum Besten der Gem.caße verlost und erträgt durchschn. 6 fl" (=Gulden).

Die Wohnung im Erd- wie im Obergeschoß umfaßt je eine Stube mit 4,85 x 3,65 m und eine Küche von 2,40 x 2,70 m, also je 18 und 6,5 qm Fläche. Schon wegen der geringen Raumhöhen kam eine Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken nicht mehr in Frage.

Für museale Nutzung können nur die beiden unteren Räume hergerichtet werden, da die Treppe zum Obergeschoß eng und wenig belastbar ist.

Auch im Erdgeschoß können sich jeweils nur kleine Gruppen bewegen. Diesem knappen Raumangebot muß sich das Konzept zu einem Heimatmuseum anpassen. Das Aufstellen von Ausstellungsvitrinen und Schaukästen, in denen die Exponate präsentiert werden, ist nicht möglich. Ein Heimatmuseum im klassischen Sinne, als Sammlung und Ausstellung der im Ort gesammelten Objekte zu eigenen, örtlichen Geschichte ist in unserem Hirtenhäuschen nicht machbar.

Der kleine uralte Fachwerkbau, mit den niedrigen Stuben, dem winzigen Flur und Treppenaufgang, kann jedoch als Wohnwelt vergangener Epoche rekonstruiert werden und, wenn sie stimmend ausgestattet wird, in diesen Räumen zu starker Wirkung kommen.

  

  Bett und Ofen in der Stube

Die HGV hat sich zunächst die Wohnung einer dörflichen Kleinfamilie um etwa 1910 vorgestellt, also in der Zeit unserer Groß- und Urgroßeltern. Vieleicht wird später einmal eine ältere Darstellung möglich werden, wünschenswerterweise eine im Einklang mit der vermutlichen Erbauung des Hauses, vor 1700. Derzeit sind uns solch alte Exponate aber nicht erreichbar, während sie uns aus der dargestellten Zeit noch aus echten dörflichen Quellen zur Verfügung standen.

Bei den gewaltigen Umformungen unseres gesamten Lebens durch den Eintritt ins Industriezeitalter ist allein in den letzten 100 Jahren soviel Veränderung in allen Bereichen geschehen, daß wir uns auch mit dem vor der Geschichte kurzen Schritt zurück schon in eine Welt versetzt sehen, die von der unseren so weit entfernt scheint, daß wir nicht meinen, wir könnten in ihr noch leben. Wie umgekehrt unsere Urgroßeltern sich in der unseren nicht mehr zurechfänden.

Wird die Vergangenheit lebendig gemacht, soll sie richtig gesehen und wahr dargestellt werden. Das wird mit unserem Heimatmuseum angestrebt. Deshalb sind die Stuben keine Ausstellungsräume, sondern so eingerichtet, als ob sie von den Menschen jener Zeit noch bewohnt würden. Bis auf die kleinsten Details sind Einrichtung, Wäsche und alles Gebrauchsgut bis hin zur Tabakspfeife echt und zeitgerecht. In den Möbeln befinden sich genau jene Inhalte, die damals darin aufbewahrt waren und - fast - alles, was die Leute brauchten ist auch vorhanden.

 Sitzecke in der Stube im Erdgeschoß

 Blick in die Küche im Erdgeschoß

Klein, aber fein versuchen wir uns bei diesem Dorfmuseum. Nichts wird verschönt, das Leben in seiner Kargheit und den wenigen Ansprüchen, der geringen Hygiene und aller Dürftigkeit soll deutlich werden. Aber vielleicht wird der Besucher auch etwas von der Ruhe Behaglichkeit und Geborgenheit spüren, die unsere Vorfahren in diesem Milieu empfanden, dem bescheidenen Glück.

Die Stube im Obergeschoß ist als Gruppenraum gedacht. Hier können kleine Versammlungen und Sitzungen stattfinden. Der angrenzende Raum im Obergeschoß über dem inzwischen zur Küche ausgebauten Stall im Anbau ist als Arbeitsraum vorgesehen und wird mehrmals jährlich für Sonderausstellungen genutzt.

Damit das Häuschen bis unters Dach richtig ausgenutzt wird, haben unsere tüchtigen Bauhelfer den wohl jahrelang nicht mehr benutzten Bodenraum ausgeräumt und fein säuberlich ausgebaut, sodaß er nun als Archiv, Bibliothek und Kopierraum gute Dienste leistet. Hier sind auch unsere herausgegebenen Bücher und die, inzwischen schon auf über 60 Titel angewachsene, lokalgeschichtliche Schriftenreihe und Bücher gelagert.

Hier hat auch eine weitere, wertvolle Einrichtung der Heimatgeschichtlichen Vereinigung Platz gefunden, nämlich das für unsere Region in dieser Ausstattung einmalige heimatgeschichtliche Bildarchiv. Es enthält inzwischen schon mehr als 8500 (Stand 2015) computerregistrierte Fotos aus allen Ortschaften der Gemeinde, die uns zur Reproduktion überlassen wurden. Zahlreiche Bilder aus der Zeit vor 1900 sind darunter. Für viele spezielle Sachgebiete können Fotoreihen zusammengestellt werden. Eine Dokumentation, die von Jahr zu Jahr an Wert gewinnt und unseren Blick in die Geschichte illustrieren kann.

 Herdecke in der Küche

 Die niedrige Küche mit Fenster zur Kirche

In einer Zeit, inder wirtschaftliche und allgemein materielle Gesichtspunkte überbetont werden, kann uns die Begegnung mit der Vergangenheit, Geschichtswissen überhaupt, belehren, entspannen und bereichern. Golo Mann sagt, daß das Verständnis der Gegenwart bewußt oder unbewußt das eigentliche Ziel jeder Geschichtsforschung sei.

Der Gegenwart soll in diesem Sinne auch unsere Arbeit dienen und das nun geschaffene kleine Heimatmuseum in unserem Hirtenhäuschen. (GK 1994)

Das Heimatmuseum "Hirtenhaus" im Winter 1997/98

Achtung:
Das Hirtenhaus hat keine festen Öffnungszeiten, ist jedoch zu bestimmten Reiskirchner Veranstaltungen geöffnet (Weihnachtsmarkt), auch zum jährlichen Internationalen "Tag des offenen Denkmals". Für sonstige Besuchswünsche vereinbaren Sie einen Besuchstermin mit unserem Museums-Geschäftsführer, Bernhard Dworschak, Tel. 06408/62490 oder mit unserer stellvertretenden Vorsitzenden Christa Launspach,
Tel. 06408/965805.

 > Startseite